"In seiner Wiener Studentenzeit war Karajan ein eifriger Stehplatzbesucher. Sein Onkel Emanuel Ritter von Kara-jan war Gebäudeverwalter und Hausinspektor der Staats-oper, und allmählich wurde der Neffe auch mit dem Opernbetrieb vertraut. Einmal, als er wieder auf der Galerie stand und hinab in den Orchestergraben blickte, seufzte er sehnsuchtsvoll: ‚Nur einmal dort unten stehn!' Nicht lange, und er stand ‚dort unten'. Zuerst in Ulm, später aber auch in Wien. In München besuchte Karajan eine Tristan-Aufführung, die sein berühmter Kollege und Vorgänger als Wiener Staatsoperndirektor Clemens Krauss leitete. Nach dem ersten Akt begab man sich zum Abendessen und kehrte für den Schluß der Vorstellung noch einmal ins Theater zurück. Als Karajan die Loge be-trat, murmelte er erstaunt: ‚Was, die singen ja noch immer?"

(in Spiel, Christian Mü. /Esslingen 1968, S.65-6)