"Seit meiner Berliner Zeit war ich ein begei-sterter Wagnerianer, dank der wunderbaren Aufführungen von Tristan und Isolde, der Meistersinger und des Rings, die ich dort gesehen hatte. In Bayreuth ging es mir sonderbar. Ich geriet unter einen geheimnisvollen Bann. Eine Weile weinte ich. Nach all diesen Jahren bietet sich leicht eine Erklärung an: Die Stadt konzentriert sich zur Zeit der Festspiele ausschließlich auf Wagner und seine Musik, seine Verehrer sammeln sich Jahr um Jahr um seinen Weihetempel, sie wandeln hinauf zum Festspielhaus wie Pilger auf der Suche nach dem Heil. Im verdunkelten Zuschauerraum meinte ich, die Musik vom Himmel herunterströmen zu hören. Das übrige bewirkten die sorgfältig ausgewählten Sänger, der üppige Orchesterklang, die monatelangen Vorbereitungen und ein großer Dirigent wie Karl Muck. Das Ergebnis war unwiderstehlich. Ich verstehe sehr gut, daß ich in meinem damaligen Alter von Wagners Genius bezwungen wurde. Es war wie eine Krankheit, und ich habe Sie später meine Wagneritis genannt."

Artur Rubinstein

(Frankfurt a.M. 1973, S. 331)