Am
19.Februar 1950 hatten wir in San Antonio, Texas, eine Vorstellung von
Tristan und Isolde, für die der bewußte angsterregende Gentleman
auch die gesamte Dekoration geliefert hatte, einschließlich einer
ziemlich überproportionierten Palme, die der Liebesnacht im zweiten
Akt eine angestaubt schwüle Note verlieh.
Bevor Sie mir nun weglaufen und zu Ihren Geographiebüchern stürzen,
lassen Sie mich Ihnen bitte versichern, daß die Küste von
Cornwall vom Golfstrom erwärmt wird und daß dort in der Tat
Palmen wachsen, obwohl ich den heimlichen Verdacht habe, daß jenes
Requisit ein Auslaufmodell aus einer sehr, sehr alten Produktion von
Thaïs war.
Jedenfalls machten Max Lorenz als Tristan und ich als seine Isolde uns
bereit, uns unter diesem guten Stück in die Ekstasen unseres Liebesduetts
zu stürzen. Als Max sein O, sink hernieder' anstimmte, beschloß
der Baum, diese Anrufung wörtlich zu nehmen, und begann, sich sacht
aus seiner Verankerung zu lösen. Was war dagegen zu unternehmen?
Max
und ich einigten uns sehr rasch darauf, daß der, der gerade nicht
zu singen hatte, den sich neigenden Baum mit seinem Rücken zu stützen
habe. So schafften wir uns durch das ganze Liebesduett, ohne unter dem
sperrigen Ding begraben zu werden.
Als anschließend König Marke seinen sehr langen Monolog hielt,
versuchte ich verzweifelt, eine Lösung für den Augenblick
zu finden, in dem Tristan von Melot die tödliche Wunde empfängt,
und ich an seine Seite stürzte...
Zum Glück für uns alle war die Brangäne des Abends die
reaktionsschnelle Blanche Thebom, die offenbar von ihrem Ausguck auf
dem Wachtturm beobachtet hatte, wie wir uns als menschliche Stützpfeiler
abrackerten. Kurz bevor ich zu Tristan zu laufen hatte, gab ich Blanche,
die inzwischen vom Turm gestiegen war, um mir beizustehen, ein verzweifeltes
Signal mit den Augen und flüsterte: Der Baum, halt den Baum
fest!' - Gottlob hielt sie durch."
(Astrid Varnay, 1997, S. 182-3)