"Am 31.Mai 1953 kehrte ich nach München zurück, um an der Bayrischen Staatsoper unter Rudolf Kempe die Isolde neben August Seider als Tristan zu singen. Alles verlief reibungslos bis zum Schluß der Oper, als ich mit dem Liebestod begann, und entdeckte, daß das gedämpfte Schnarchen, das ich zu hören glaubte, in der Tat ... ein gedämpftes Schnarchen war! Herr Seider hatte sich in seiner ruhenden Lage als der eben verschiedene Tristan so behaglich gefühlt, daß er einfach eingeschlagen war. In einer solchen Situation ist es schwer, einen klaren Kopf zu behalten und weiter zu singen, während das Hirn wie rasend tickt und nach einem Ausweg sucht, der die Katastrophe verhindern kann. Ich wußte, daß ich Seider wecken mußte, aber wenn ich ihn zu unsanft berührte, schreckte er vermutlich mit einem lauten Geröchel hoch, das durch das ganze Haus tönen und kolossales Gelächter hervorrufen würde, unmittelbar vor dem feierlichen Ausklang dieser zutiefst ernsten Oper. Und das ging einfach nicht! Als das Orchester und ich eine Forte-Passage begannen, beugte ich mich zu ihm hinunter und versetzte ihm einen sanften Rippenstoß, der das Röcheln, das er beim Aufwachen von sich gab, so dezent hielt, daß es sozusagen in der Familie unserer Seite der Rampe blieb. Herr Seider sagte mir später, daß dies die dritte große Partie gewesen sei, die er innerhalb einer Woche habe singen müssen, abgesehen von dem gespickten Probenplan, und daß das einfach zu viel für ihn gewesen sei. Er sei so fertig gewesen, daß er es mit aller Anstrengung nicht habe verhindern können, in ein kurzes Nickerchen wegzudösen."

(Astrid Varnay, 1997, S. 236-7)