Callas, Maria, Sopran, * 4.12.1923 New York als Tochter eines eingewanderten
griechischen Apothekers, 16.9.1977 Paris (ganz plötzlich
nach einem Herzanfall); eigentlich Maria Anna Cecilia Sophia Kalogeropoulos.
Sie kam mit 13 Jahren nach Griechenland und wurde zuerst durch die Gesanglehrerin
Maria Trivella, dann am Konservatorium von Athen durch die spanische Sopranistin
Elvira de Hidalgo ausgebildet. Während ihres Studiums kam es wahrscheinlich
bereits 1938 zu einem semiprofessionellen Debüt als Santuzza in »Cavalleria
rusticana«. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges sang sie an der
Oper von Athen u.a. im Januar 1942 die Beatrice in der Operette »Boccaccio«
von F. von Suppé (ihr offizielles Debüt), dann die Tosca (mit
Tito Xirelli als Scarpia), 1943 die Martha in »Tiefland« von
d'Albert, 1944 die Smaragda in der griechischen Oper »O Protomastoras«
von M. Kalomiris und die Leonore im »Fidelio«, 1945 die Laura
im »Bettelstudenten« von Millöcker. Sie erregte in Athen
zwar als Tosca Aufsehen, doch war durch die Kriegs- und Besatzungsverhältnisse
die Entwicklung einer internationalen Karriere von dort aus nicht möglich.
So ging sie im September 1945 in die USA, wo sie jedoch kein Engagement
fand. Ihre Stimme wurde durch den berühmten Tenor Giovanni Zenatello
in den USA entdeckt, der ihr ein Engagement bei den Festspielen in der
Arena von Verona vermittelte, die er 1913 begründet hatte. Im Sommer
1947 sang sie bei den Festspielen von Verona die Titelpartie in »La
Gioconda« von Ponchielli und hatte einen überwältigenden
Erfolg. Hier lernte sie auch den italienischen Industriellen Giovanni
Battista Meneghini kennen, den sie 1949 heiratete, von dem sie sich aber
1959 wieder trennte. (Es kam dann zu einer Beziehung zwischen ihr und
dem griechischen Reeder und Multimillionär Aristides Onassis, der
sie jedoch schließlich verließ und die Witwe des amerikanischen
Präsidenten Kennedy heiratete). Bei den Festspielen von Verona hatte
sie in den Jahren 1947-48 und 1952-54 ihre großen Erfolge. Es schlossen
sich Triumphe an den großen italienischen Bühnen an. Es schien
zunächst, als ob Maria Callas sich dem dramatischen, ja dem Wagner-Repertoire
zuwenden würde; sie sang 1949 an der Oper von Rom die Kundry im »Parsifal«
und 1950 die Isolde im »Tristan«, 1949 am Teatro Fenice Venedig,
und auch am Teatro Massimo Palermo, die Brünnhilde in der »Walküre«.
Dann aber überraschte sie die Fachwelt damit, daß sie 1948
am Teatro Fenice in Venedig eine der schwierigsten Koloratur-Partien,
die Elvira in »I Puritani« von Bellini, sang. Seitdem galt
sie als der Typ der dramatischen Koloratursopranistin schlechthin. 1950
begann sie eine grandiose Karriere an der Mailänder Scala (Antrittsrolle:
Aida), sang beim Maggio musicale von Florenz (u.a. 1951 in der Uraufführung
der nachgelassenen Oper »Orfeo ed Euridice« von Joseph Haydn),
an der Londoner Covent Garden Oper, (1952-53, 1957-59, 1964), an der Grand
Opéra Paris, in Mexico City, Rio de Janeiro, Chicago (1954-56),
San Francisco, Dallas (1958-59), Berlin und Wien. 1950 gestaltete sie
an der Oper von Rom, 1955 an der Scala die Fiorilla in »Il Turco
in Italia« von Rossini. Große Triumphe an der Scala 1954 in
der Titelpartie von Cherubinis »Medea« (die sie 1953 erstmalig
in Florenz vorgetragen hatte), 1955 als Amina in »La Sonnambula«
von Bellini, 1958 als Imogene in Bellinis »Il Pirata«, 1957
als Titelheldin in Glucks »Iphigénie en Tauride«, 1960
als Paolina in »Poliuto« von Donizetti. Als »Regina
della Scala« ging sie in die Theatergeschichte ein. 1956 stand sie
erstmalig auf der Bühne der New Yorker Metropolitan Oper, und zwar
als Norma von Bellini. Während drei Spielzeiten (1956-59) wurde sie
dann auch dort gefeiert. 1957 umjubelte man sie bei den Festspielen von
Edinburgh als Amina in Bellinis »La Sonnambula« im Verdi-Jahr
1951 in Florenz als Elena in »I Vespri Siciliani«, 1953 dort
in Cherubinis »Medea« aufgetreten. Am 2.1.1958 kam es an der
Oper von Rom zu einem großen Skandal, als sie in einer Vorstellung
von »Norma« (in Anwesenheit des italienischen Staatspräsidenten)
sich während der Vorstellung weigerte, weiter aufzutreten und das
Haus verließ. 1965 kehrte sie wieder für eine Saison an die
Metropolitan Oper zurück und hatte dort nun vor allem als Tosca glänzende
Erfolge. Insgesamt hat sie an der Metropolitan Oper vier Partien (Lucia
di Lammermoor, Norma, Traviata, Tosca) in 21 Vorstellungen zum Vortrag
gebracht. 1960 begeisterte sie das Publikum im antiken Theater von Epidauros
als Norma. Ihr letzter Bühnenauftritt fand am 5.7.1965 an der Covent
Garden Oper London als Tosca statt. 1970 übernahm sie die Titelrolle
in dem Pasolini- Film »Medea«. 1973 führte sie in der
Eröffnungsvorstellung des neu erbauten Teatro Regio in Turin Regie
in Verdis »Sizilianischer Vesper«. 1973 unternahm sie eine
große Konzert-Tournee durch die europäischen Musikzentren zusammen
mit dem Tenor Giuseppe di Stefano, konnte aber nicht mehr an ihre früheren
Erfolge anknüpfen und brach die Tournee ab. Seit 1971 pädagogische
Tätigkeit an der Juilliard Music School New York. Dem letzten Willen
der Künstlerin entsprechend wurde ihre Asche in einer ergreifenden
Zeremonie durch den griechischen Wissenschaftsminister am 3.6.1979 von
einem Schnellboot der Kriegsmarine in das Ägäische Meer gestreut.
- Maria Callas gehört zu den größten Persönlichkeiten
in der Geschichte der Gesangskunst überhaupt. Ihre Stimme vereinigte
in kaum mehr bekannter Weise brillanteste Koloraturtechnik mit physischer
Kraft und glutvoller Dramatik des Vortrages; dazu war sie eine mitreißende
Darstellerin. Ein besonderes Verdienst erwarb sie sich durch die Wiederbelebung
zahlreicher in Vergessenheit geratener Belcanto-Opern von Bellini, Rossini,
Donizetti und Cherubini, wie sie denn überhaupt über ein fast
unbegrenztes künstlerisches Gestaltungsvermögen verfügte.
Nicht zuletzt führte sie den Nachweis, daß die Primadonna assoluta,
wie sie für das 18. und 19. Jahrhundert typisch war, auch unter den
veränderten Verhältnissen der Gegenwart durchaus ihren Anspruch
auf Exklusivität durchsetzen kann.
Schalplatten: Sehr viele Schallplattenaufnahmen, anfänglich auf
Cetra (u.a. vollständige Opern »La Traviata« und »La
Gioconda«), dann exklusiv auf Columbia. Hier zahlreiche integrale
Opern (»I Puritani«, »Lucia di Lammermoor«, »Tosca«,
»Norma«, »Cavalleria rusticana«, »Bajazzo«,
»La forza del destino«, »Il Turco in Italia« von
Rossini, »Madame Butterfly«, »Aida«, »Rigoletto«,
»La Bohème«, »La Sonnambula«, »Un
ballo in maschera« von Verdi »Troubadour«, »Der
Barbier von Sevilla«, »Turandot«, »Medea«
von Cherubini, »Carmen«, »Manon Lescaut« von Puccini).
Hinzu treten Mitschnitte von Opernaufführungen auf den Marken Cetra-Opera
live (»Nabucco«, »Troubadour«, »I Vesori
Siciliani« von Verdi, »Aida«, »Armida« von
Rossini, »I Puritani«, »Rigoletto«, »Tosca«,
»La Gioconda«), BJR (»Poliuto« und »Anna
Bolena« von Donizetti, »Macbeth« von Verdi) und Estro
armonico (Kundry im »Parsifal« in italienischer Sprache).
Auf HMV wurden Mitschnitte von Unterrichsstunden unter dem Titel »Maria
Callas at Juilliard« herausgebracht. Hinzu treten zahlreiche Video-
und Film-Aufnahmen. - Es ist unmöglich, derzeit einen Überblick
über das gesamte auf Schallplatten vorhandene Repertoire der großen
Sängerin zu erhalten, da immer wieder neue Mitschnitte von Opernaufführungen
publiziert werden. So existieren allein acht vollständige Aufnahmen
von »Lucia di Lammermoor«, sieben von »Norma«,
acht von »Tosca«, und es ist mit weiteren Veröffentlichungen
zu rechnen.
Lit.: J. Ardoin & G. Fitzgerald: »The Callas Legacy«
(1974); H. Wisneski: »Maria Callas. The Art behind the Music«
(New York, 1975); J. Ardoin & George Jellinek: »Callas«
(New York, 1960); A. Stassinopoulos: »Maria-Beyond the Callas Legend«
(London, 1980); Leo Riemens: »Maria Callas« (1959, erste Biographie
überhaupt); C. Cederna: »Callas-Chi è?« (Mailand,
1968); F. Herzfeld: »Maria Meneghini Callas« (Berlin, 1960);
St. Galantopoulos: »Callas la Divina« (London, 1963); T. Picchetti
& M. Tegli: »El arte de Maria Callas« (Buenos Aires, 1969);
G. Battista Meneghini & P. Allegri: »Maria Callas, mia moglie«
(Mailand, 1981); J. Kesting: »Maria Callas« (Düsseldorf,
1990); Michael Scott »Maria Meneghini-Callas« (1991); M. Bux:
»Maria Callas« (München, 1994). Bruno Tosi: »Giovane
Callas« (Parma, 1997); Bruno Tosi: »Casta Diva, l'incomparabile
Callas« (Parma, 1997); R. & R. Allegri: »Callas by Callas«
(München, 1998); Stelios Galatapoulos: »Maria Callas«
(1998). Zahlreiche weitere biographische Publikationen.
"Für die Callas waren Singen und agieren
eine heilig ernste Angelegenheit. Die Opernbühne war eine Kirche
für sie, die Kunst eine religion. Sie hatte einen wahnsinnigen Respekt
vor der Musik und gab alles für die Musik hin." (Caballé,
Montserrat über die Kollegin, in Scholz 1999, S.251)
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