Litvinne, Felia (Wassiljewna), Sopran, * 31.8.1860 St. Petersburg,
12.10.1936 Paris; ihr eigentlicher Name war Françoise-Jeanne
Schütz; ihr Vater war russischer, ihre Mutter kanadischer Abstammung.
Sie kam mit 15 Jahren nach Paris und studierte dort bei Mme Barthe-Banderali,
bei Victor Maurel und bei der berühmten Pauline Viardot-Garcia. 1880
trat sie in Paris erstmals öffentlich auf. 1883 sang sie unter dem
Namen Felia Litvinova am Téâtre-Italien in Paris, und zwar
ersetzte sie die plötzlich erkrankte Fidès Devriès als
Amelia (Maria) in Verdis »Simon Boccanegra«. Sechs Monate später
fand ihr offzielles Debüt am gleichen Haus als Elvira in Verdis »Ernani«
statt. Nach Gastspielen in Genua und Barcelona unternahm sie 1885 ihre erste
Nordamerika-Tournee mit der Mapleson Opera Company. 1886-88 sang sie am
Théâtre de la Monnaie Brüssel; dort sang sie 1887 in den
französischsprachigen Erstaufführungen der »Walküre«
(als Brünnhilde) und von Ponchiellis »La Gioconda« (als
Titelheldin).1889 kam sie an die Grand Opéra Paris, wo sie als Antrittsrolle
die Valentine in den »Hugenotten« von Meyerbeer vortrug. 1893
unterbrach sie ihre Karriere nach einer Heirat, nahm sie aber nach der Auflösung
der Ehe 1895 wieder auf. Es folgten glänzende Gastspiele in aller Welt.
In den Jahren 1890-96 hatte sie große Erfolge an der Mailänder
Scala, 1890 feierte man sie an den Hofopern von St. Petersburg und Moskau.
Sie wurde vom russischen Zaren zur Hofsängerin ernannt und inszenierte
auch einige Opern an russischen Theatern. An der Metropolitan Oper New York
sang sie in der Saison 1896-97 als Antrittsrolle die Marguerite de Valois
in den »Hugenotten« von Meyerbeer und übernahm in dieser
einen Spielzeit neun Partien, die sie in 22 Vorstellungen vortrug, darunter
auch Wagner-Partien, die sie inzwischen in ihr Repertoire aufgenommen hatte.
1897 debütierte sie an der Metropolitan Oper New York als Valentine
(nicht als Marguerite de Valois) in Meyerbeers »Hugenotten«.
Sie sang in deren New Yorker Haus in 24 Vorstellungen (dazu in 19 Vorstellungen
während der Gastspieltournee des Ensembles) u.a die Marguerite im »Faust«
von Gounod, die Chimène in »Le Cid« von Massenet, die
Selika in Meyerbeers »Africaine«, die Elsa im »Lohengrin«,
die Isolde im »Tristan«, die Aida und die Brünnhilde im
»Siegfried«. Sie gastierte am Teatro Costanzi in Rom (1888 als
Valentine, als Königin im »Hamlet« von A. Thomas und als
Leonora in Donizettis »La Favorita«) und an der Mailänder
Scala (1890 als Königin im »Hamlet«, 1895 als Catarina
de Aragon in »Henri VIII.« von Saint-Saëns, 1896 als Dalila,
1907 als Brünnhilde in der »Götterdämmerung«).
An der Oper von Monte Carlo hörte man sie 1896 (als Valentine) und
regelmäßig 1905-09 (als Selika, als Hélène in der
gleichnamigen Oper von Saint-Saëns, als Donna Anna im »Don Giovanni«,
als Gioconda von Ponchielli, als Brünnhilde im Nibelungenring, als
Natasha in »Rusalka« von Dargomyshski und 1914 als Kundry im
»Parsifal«).1902 unternahm sie eine große Konzerttournee
durch Deutschland mit Auftritten in Berlin und Dresden, 1906 gab sie Gastspiele
an den Opernhäusern von Köln, Frankfurt a.M. und Dresden, am Deutschen
Theater Prag und Konzerte in Wien, 1909 gastierte sie in München, 1901
und 1904 am Théâtre de la Monnaie Brüssel, 1908 am Teatro
San Carlo Neapel (Brünnhilde in der dortigen Premiere der »Götterdämmerung«).
1899-1910 war sie Jahr für Jahr als Gast an der Covent Garden Oper
London anzutreffen. 1899 kreierte sie für Paris am Théâtre
Nouveau die Isolde im »Tristan«, 1902 am Théâtre
du Château d'Eau die Brünnhilde in der »Götterdämmerung«,
1911 an der Grand Opéra die Brünnhilde in der ersten Pariser
Gesamtaufführung des Nibelungenrings. Am 24.2.1906 sang sie an der
Oper von Monte Carlo in der Uraufführung der Oper »L'Ancêtre«
von Saint-Saëns, 1901 in Brüssel die Brünnhilde in der Premiere
der »Götterdämmerung«, 1905 in Amsterdam gegen den
Protest von Bayreuth die Kundry im »Parsifal«. Ebenfalls 1905
hatte sie einen ihrer größten Erfolge, als sie in der Arena von
Béziers die Titelrolle in »Armide« von Gluck vortrug.
Am 14.3.1911 wirkte sie an der Oper von Monte Carlo in der Uraufführung
der Oper »Déjanice« von Saint-Saëns mit, 1914 sang
sie an der Opéra-Comique die Titelrolle in »Alceste«
von Gluck. Sie setzte ihre weltweite Gastspieltätigkeit bis 1917 fort,
als sie in Paris von der Bühne Abschied nahm. 1919 trat sie nochmals
am Theater von Vichy auf; bis 1924 erschien sie im Konzertsaal. 1927 erhielt
sie eine Professur am Amerikanischen Konservatorium in Fontainebleau. Zu
ihren Schülerinnen gehörten u.a. Germaine Lubin und Nina Koshetz.
Sie veröffentlichte ihre Memoiren unter dem Titel »Ma vie et
mon art« (Paris, 1933). Ihre Schwester Hélène Schütz
war mit dem berühmten Bassisten Édouard de Reszke (1853-1917)
verheiratet. - Hervorragend schöne dramatische Sopranstimme, voll Leidenschaftlichkeit
des Ausdrucks, zugleich von größter Flexibilität; ihre Gestaltung
der Armide von Gluck gilt bis heute als unübertroffen.
Schallplatten der Marken G & T (Paris, 1903), Fonotipia (Paris, 1905),
Odéon de Luxe (Paris, 1907) und Pathé.
Lit.: Litvinne, Felia: "Ma Vie et mon Art", Paris, 1933; H.M.
Barnes & V. Girard: Felia Litvinne (in »Record Collector«,
1953).
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