Tebaldi, Renata, Sopran, * 1.2.1922 Pesaro, 20.12.2004 San Marino; sie erkrankte als Kind an
Poliomyelitis. Wegen der Armut ihrer Eltern hatte sie in ihrer Jugend
große Schwierigkeiten zu überwinden, bevor sie zu einem Studium
kommen konnte. Sie wollte zunächst Pianistin werden, studierte dann
aber Gesang am Konservatorium von Parma bei Brancucci, bei Ettore Campogalliani
in Mantua, später auch bei Carmen Melis in Mailand. Sie debütierte
1944 am Teatro Municipale von Rovigo als Elena in »Mefistofele«
von Boito. Im gleichen Jahr sang sie in Parma und in Venedig. Nach dem
Zweiten Weltkrieg wurde ihre Karriere durch den berühmten Dirigenten
Arturo Toscanini gefördert, der sie 1946 hörte und sogleich
an die Mailänder Scala engagierte. Sie sang am 11.5.1946 mit sensationellem
Erfolg in dem von ihm dirigierten Konzert zur Wiedereröffnung der
Scala u.a. das Sopransolo im Requiem von Verdi. Seitdem ist sie an diesem
traditionsreichen Opernhaus in den Jahren 1949-54 und 1959-60 immer wieder
bewundert worden. Zu den Partien, die sie an der Mailänder Scala
sang, gehörten die Maddalena in »Andrea Chénier«
von Giordano, die Titelrolle in »Adriana Lecouvreur« von Cilea,
die Tosca, die Desdemona im »Othello« und die Wally in der
gleichnamigen Oper von Catalani. Sie nahm »seltene Opernpartien«
wie die Titelpartie in Spontinis »Olympia«, die Palmira in
Rossinis »Assedio di Corinto«, die Cleopatra in »Giulio
Cesare« von Händel und die Gianna d'Arco von Verdi in ihr Repertoire
auf. Sie wurde eine weltberühmte Sängerin und gastierte mit
dem Ensemble der Scala 1950 (als Aida) und wiederum 1955 an der Covent
Garden Oper London; seit 1959 auch an der Wiener Staatsoper, seit 1962
am Deutschen Opernhaus Berlin, in Paris, Rom, Neapel und Barcelona gefeiert.
Beim Maggio musicale von Florenz hörte man sie 1950 in der Oper »Olympia«,
1954 in »Agnese di Hohenstaufen« von Spontini. 1947-50 und
1957 wirkte sie bei den Festspielen in der Arena von Verona mit. 1951
sang sie am Teatro San Carlo Neapel und dann an der Pariser Opéra
die Titelheldin in Verdis »Giovanna d'Arco«. 1950 war sie
erstmals in Amerika, und zwar an der Oper von San Francisco, als Aida
zu Gast. 1955 folgte sie einem Ruf an die Metropolitan Oper New York (Antrittsrolle:
Desdemona im »Othello« von Verdi), an der sie seitdem von
Erfolg zu Erfolg eilte. Sie sang dort in 17 Spielzeiten und in 210 Vorstellungen
(im New Yorker Haus der Metropolitan Oper) 14 Partien, von denen die Tosca,
die Mimi in »La Bohème«, die Titelheldin in »La
Gioconda« von Ponchielli, die Adriana Lecouvreur von Cilea, die
Maddalena in »Andrea Chénier« von Giordano, die Manon
Lescaut von Puccini, die Amelia in Verdis »Simon Boccanegra«,
die Traviata, die Butterfly, die Minnie in »La Fanciulla del West«
von Puccini, die Aida, die Leonore in »La forza del destino«
und die Alice Ford im »Falstaff« von Verdi genannt seien.
Seit 1956 gastierte sie bis 1969 alljährlich in Chicago. In Südamerika
feierte man sie am Teatro Colón von Buenos Aires und an der Oper
von Rio de Janeiro. 1961 war sie in Tokio und in Osaka zu Gast. Konzertreisen
führten sie nach Spanien, Portugal, Deutschland, Holland, Frankreich,
Nord- und Südamerika. 1973 gab sie nach 18jähriger Zugehörigkeit
zum Ensemble ihr Engagement an der Metropolitan Oper New York auf, indem
sie nochmals die Desdemona im »Othello« von Verdi vortrug.
Seither beschränkte sie ihr Auftreten im wesentlichen auf den Konzertsaal.
So unternahm sie noch 1976 eine glanzvolle Rußland-Tournee. Seit
den siebziger Jahren lebte sie zurückgezogen in Mailand. - Renata
Tebaldi besaß eine der schönsten Sopranstimmen ihrer Zeit,
in der Reinheit ihrer Intonation wie der Eleganz ihres Vortrages gleich
ausgezeichnet. Selbst bei höchster dramatischer Intensität wurde
die Stimme durch einen seltenen Wohllaut gekennzeichnet; berühmt
war ihr verschwebendes Pianissimo. In erster Linie war sie als Verdi-
und Puccini-Interpretin zu bewundern, weiter als Maddalena in »Andrea
Chénier« und als Adriana Lecouvreu; sie sang u.a. auch die
Eva in den »Meistersingern«. Obwohl sie, vor allem von der
Kritik, immer wieder als Rivalin von Maria Callas bezeichnet wurde, besaßen
die beiden wohl größten Primadonnen ihrer Epoche im Grunde
sehr verschiedene Stimmen.
Schallplatten: zuerst auf Fonit, dann viele Aufnahmen auf Decca, darunter
eine Reihe integraler Opern (»La Bohème«, »Tosca«,
»Madame Butterfly«, »Manon Lescaut«, »Turandot«,
»Aida«, »La Traviata«, »Troubadour«,
»Othello«, »Adriana Lecouvreur«, »Mefistofele«
von Boito, »La Wally« von Catalani, »La Gioconda«
von Ponchielli, »Suor Angelica«, »Il Tabarro«
und »Gianni Schicchi« von Puccini, »Cavalleria rusticana«,
»Un ballo in maschera«, »Don Carlos« von Verdi,
»La forza del destino«, »Andrea Chénier«),
auch RCA-Platten (»Cavalleria rusticana«, Liu in »Turandot«).
Auf HRE singt sie die Elsa in einer »Lohengrin«-Aufnahme in
italienischer Sprache, auf EJS die Titelrolle in »Giovanna d'Arco«
von Verdi, auf MRF die Fedora in »Fedora« von Giordano. Es
sind dazu zahlreiche weitere Mitschnitte von Opernaufführungen zu
finden, u.a. auf Nuova Era (Alice Ford im »Falstaff«, Scala
1951); auf Artists International-Video als Tosca. Hardy Classics (Elisabeth
im »Tannhäuser« in italienischer Sprache).
Lit.: V. Seroff: »Renata Tebaldi: The Woman or the Diva«
(New York, 1975); W. Panowsky: »Renata Tebaldi« (Berlin, 1961);
K. Harris: »Renata Tebaldi« (New York, 1974). A.M. Gasparri
Rossotto: Renata Tebaldi (Florenz, 1990); E. Forbes: Tebaldi: Wonderful
Memories (in »Opera«, 1991).
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