Liebestod


"(...) Jetzt, da sie aus dem Frieden der Bewußtlosigkeit wieder erwacht, beginnt vor unseren Augen das Mysterium der - Zerstörung des Wörtleins 'und', mit derselben singenden, so weltabgewandten Weise, die Isolde mit Tristan zusammen, das Wunder der Einswerdung vorausfühlend, aus ihrem eigenen Selbste so ergreifend geboren hatte. Es beginnt, um Plotins Worte zu gebrauchen, ihre 'Befreiung von allen Erdenfesseln, ihr Leben ohne Erdenlust, die Flucht des einzig Einen zum einzig Einen'. Sie sieht den Geliebten leben und sich allmählich, gemeinsam mit ihr, ins einzig Eine auflösen. Sie sieht ihn lächeln, versöhnt mit der Welt der Zeitlichkeit, wie auch sie versöhnt ist mit allem, was sich begeben. 'Freunde!' so singt sie zu ihrer Umgebung, die ihr irdisches Auge nicht mehr wahrnimmt und die sie, im Übermaße reinster, mitleidvoller Liebe, nur mehr fühlt, ach, der gleichen Erlösung so bedürftig, die jetzt für sie Erfüllung wird. 'Freunde, liebe, arme Freunde! Fühlt und seht ihr's nicht, das Wunder, das mir erblüht? Säh't ihr ihn nicht, den Quell des ewigen Lebens, der aus dem Toten quillt? Fühlt ihr nicht den ewigen Odem, der seinen Lippen entströmt? Hört ihr nicht die weltferne Weise,

'die so wundervoll und leise,/ wonne-klagend,/ alles sagend,/ mild versöhnend,/ aus ihm tönend,/ in mich dringet,/ auf sich schwinget,/ hold erhallend,/ um mich klinget?/ In dem wogenden schwall,/ in dem tönenden Schall,/ in des Welt-Atems,/ wehendem All -
ertrinken -

versinken -

unbewußt -

höchste Lust!"

 

(Vogl, Adolf 1913, S. 260-1)