"(Nikolaus Deckenbrock- Reporter):

Über das Ende [der Oper Tristan und Isolde], den Liebestod, ist fast mehr als über jede andere Stelle der Musik [Wagners und überhaupt] geschrieben worden. Können Sie Ihre ganz persönliche Interpretation von diesem Ende geben?'

(Daniel Barenboim - Dirigent):

‚Der Liebestod wirft eine Parallele auf zum Finale des Don Giovanni. Beide Stücke kann man wirklich realistisch und naturalistisch sehen und verstehen. (...) Beide Stücke haben die gleiche Problematik: Es kommt ein Punkt, wo dieses naturalistische Element eine neue Dimension bekommt, bei Don Giovanni ist es der Comendatore, und bei Tristan ist es der Liebestod. Der musikalische Höhepunkt des zweiten Aktes, das Liebesduett, wo alles auf ein Maximum an Ekstase und Aufregung angelegt ist, wiederholt sich im Liebestod, hat aber jetzt einen kontemplativen Charakter. Für mich ist die Lehre vom Liebestod, daß eigentlich alles, in der Musik, wie im Leben, vielschichtig ist und daß auch das größte, spannendste, erotische Moment, in dem Augenblick, wo es mit Musik zu tun hat, durch Kontemplation erreicht werden muß. Zu dem Moment von höchster Leidenschaft muß auch ein nachdenkliches Element kommen. Und dieses nachdenkliche Element ist von Wagner, für mich ganz deutlich, im Liebestod gesetzt."


(in Deckenbrock, N. 1994, 48-50)