"Als der Dresdner Winter 1905 zu Ende ging, klopfte Alfred (von Bary) am Karsamstag, einem rauhen Frühlingstag, zu gewohnter Stunde an Knieses Tür (Julius Kniese, Repetitor), um die Klavierproben fortzusetzen. (...) Auf die Frage: ‚Wo soll ich beginnen?', spielte Kniese in tiefinnerlicher Weise die einleitende Musik zum Liebesduett im zweiten Akt ‚O sink hernieder, Nacht der Liebe' und Bary fiel mit der Singstimme ein. So verging eine herrliche Stunde des Genießens, eine geistige Wanderung, die keine große Mühe bedeutete. Beim Abschied vereinbarten sie einen gemeinsamen Abend mit Kutzschbach, dem Dresdner Kapellmeister. In heiterer Stimmung fanden sie zusammen und Kniese plauderte in seiner leicht ironischen Weise über Menschen und Menschliches. ‚Kaum hatten wir uns an einem Tisch niedergelassen', berichtete Bary über diese Stunde, ‚da senkte Kniese wie zum Schlafe das Haupt und sank seinem Freunde Hermann Kutzschbach in die Arme. Sofort hinzuspringend, bot ich alles auf, um zu helfen. Hier versagte menschliches Können und Wissen. Plötzlich und ohne jede Äußerung von Erregung oder Schmerz war Julius Kniese sanft entschlafen'. Bary schloß ihm die Augen, - ein kleiner Dienst der Dankbarkeit für einen großen Lehrmeister."

(in Bary, R. v. Leipzig, 2000, S. 62)